Hotel Silber: Rede von Stadträtin Judith Vowinkel im Gemeinderat

Veröffentlicht am 13.07.2015 in Gemeinderatsfraktion

Bild: Ecelan/Wikipedia (CCBYSA)

Am 2. Juli hat Stadträtin Judith Vowinkel im Gemeinderat eine Rede zum Hotel Silber gehalten. Wir dokumentieren die Rede im Volltext. Es gilt das gesprochene Wort.

Zur Zeitzeugenfilmpremiere des Stadtjugendrings am Mittwoch letzter Woche kam Charlotte Isler, 90 jährig, extra aus den USA angereist. Sie kommentierte den Film und berichtete von ihren KIndheits- und späteren Erlebnissen.

Sie meinte, sie sei in den 50er Jahren erstmals wieder nach Stuttgart gekommen und habe noch Nachbarn angetroffen und wiedererkannt. Doch später in den 70ern lebte fast niemand mehr und sie beschloss, das Thema Stuttgart abzuhaken. Was verband sie noch mit der Stadt außer den Erinnerungen?

Dann erhielt sie in den 90er Jahren einen Anruf auf Deutsch, worin sie von einer ihr fremden Person zur Verlegung eines Stolpersteins für ihre Oma eingeladen wurde. Sie konnte so kurzfristig nicht, kam später und traf sich mit der Initiative Stolpersteine und auch mit der Initiative für das Hotel Silber.

Sie erklärte, dass sie inzwischen gern nach Stuttgart käme, denn sie hätte viele neue Freunde gefunden und junge Menschen, die sich für ihre Geschichte interessierten und Sie interviewten.

Herr Kuhn, auch Sie haben diese beeindruckende Persönlichkeit kennengelernt.

Charlotte Isler macht deutlich, wofür das Hotel Silber für unsere Stadt steht.

Es steht für Aufarbeitung unserer Geschichte in der ehemaligen Gestapo-Leitstelle, von der aus Menschen von Stuttgart aus deportiert wurden. Juden, Sinti und Roma, Kommunisten, Sozialdemokraten (Kurt Schumacher), ZentrumspolitikerInnen (Altstadtrat Laubacher), Christen, Homosexuelle, um einige zu nennen.

Seit 2008 haben sich Menschen zusammengefunden, die nicht wollten, dass ein historischer Ort dem DaVinci-Projekt zum Opfer fallen sollte. Der Beharrlichkeit und Ausdauer der Initiative Hotel Silber und der Unterstützung von kommunalpolitischer und später auch landespolitischer Seite ist es zu verdanken, dass wir heute über den Kooperationsvertrag zwischen Stadt und Land entscheiden, wie und in welcher Form das Hotel Silber weiter bestehen bleibt.

Danken möchte ich an dieser Stelle auch besonders den ehemaligen Gemeinderatskolleginnen Monika Wüst und Ulrike Küstler, die sich für den Erhalt als Lern- und Gedenkort im besonderen Maße engagiert haben.

Ab 2017, nach 10 Jahren Verhandlungen, werden 2 Etagen und das EG des linken Flügels des ehemaligen Hotel Silbers der Bevölkerung zur Verfügung stehen, mit einer Dauer- und Wanderausstellungen, Veranstaltungen und Lern- und Übermittlungsmöglichkeiten, um Geschichte und die Zeit des Schrecken und Grauens verstehbar zu machen. Die Anne-Frank-Ausstellung hier im Haus gibt bereits einen Eindruck, wie Geschichte erlebbar gemacht werden kann.

Sicher gibt es einige, die nicht die Notwendigkeit eines Erinnerungsortes sehen. Es reiche ja das Stadtmuseum.

Doch meine Damen und Herren, liebe Gemeinderatskolleginnen und -kollegen, hier kann einzigartig gezeigt und erlebt werden, wie schnell jede/r einer Ideologie nachhängen und ihr folgen kann.

Die Auseinandersetzung ist heute wieder wichtiger denn je. Denn extremistische Strömungen suchen nach ihren Anhängern, wie die IS. Diese Parallele vom Erinnerungsort zu heute ist offensichtlich und bleibt leider wahrscheinlich immer aktuell.

Dieser Kooperationsvertrag beinhaltet etwas Einmaliges und eine Chance Bürgerbeteiligung zu leben und nicht nur von ihr zu reden. Erstmals wird eine Bürgerinitiative Bestandteil eines Vertrags.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind sehr zufrieden, dass damit bereits unser Antrag Nummer 225 vom 14. Mai 2007 verwirklicht wird. Darin forderten wir, dass die damaligen entsprechenden Bürgerinitiativen, die Stadt, wie die Opferverbände eine gemeinsame Konzeption zur Erinnerung an Hotel Silber erarbeiten sollten. Jetzt kam als weiterer Kooperationspartner das Land hinzu.

Wir gehen davon aus, dass das Haus der Geschichte als Träger der Außenstelle das Beteiligungsmodell mit der Initiative auf allen Ebenen unterstützt und fördert. Wir erwarten eine kooperative Zusammenarbeit und nicht ein Nebeneinander. Die Beteiligungs- und Nutzungsvereinbarung sollte daher zeitnah konkretisiert und verhandelt werden.

Die Eckpunkte sollen auch dann nochmals in den gemeinderätlichen Gremien diskutiert und bis zu den Haushaltsberatungen abgestimmt werden. Stuttgart und das Land Baden-Württemberg haben mit dieser Form der Beteiligung Neuland betreten. Es muss gemeinsam entwickelt werden, um zu einem Erfolgsprojekt zu werden.

Ich selbst freue mich und bin stolz als Sozialdemokratin und in Erinnerung an Kurt Schumacher und auch für Charlotte Isler, dass wir mit dem Erinnerungsort Hotel Silber ein einmaliges Zeichen in Stuttgart setzen, nämlich gegen das Vergessen und für ein tolerantes Miteinander! Wir stimmen der Vorlage 150/2015 zu.

 

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