Rede von Martin Körner zum Entwurf des Haushalts der Stadt Stuttgart 2018/19

Veröffentlicht am 19.10.2017 in Gemeinderatsfraktion

Im Folgenden präsentieren wir Ihnen die Rede unseres Fraktionsvorsitzenden Martin Körner, die er zum Start der Beratungen über den Doppelhaushalt 2018/19 der Landeshauptstadt Stuttgart heute im Gemeinderat gehalten hat. 

Es gilt das gesprochene Wort!

 

 

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

verehrte Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverwaltung,
liebe Stadtratskolleginnen und –kollegen,
sehr verehrte Frau Fezer, meine Herren Bürgermeister,
sehr verehrter Herr Oberbürgermeister,

wir Sozialdemokraten haben uns gefreut, als wir Ihren Vorschlag für den Doppelhaushalt gelesen haben. Im Juli haben wir kritisiert, dass die Stadt zentrale Kernaufgaben vernachlässigt – und das bei glänzender Kassenlage! Wir freuen uns darüber, dass Sie auf diese Kritik reagiert haben.

Wir freuen uns darüber, dass es endlich mehr Stellen für die Bürgerbüros gibt. Wir hoffen, dass damit die Krankheitstage wieder auf ein Normalmaß zurückgehen. Wir fragen uns aber auch, warum es überhaupt so weit kommen muss, dass Bürgerbüros schließen, bevor die Verwaltungsspitze reagiert. Wir schlagen deshalb in einem Antrag vor, der in der nächsten Woche beraten wird, dass wir in Zukunft schneller Stellen schaffen, wenn neue und zusätzliche Aufgaben überhandnehmen. Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte unterstützen Sie das!

Wir freuen uns darüber, dass die Investitionen an unseren Schulen jetzt endlich so in Gang kommen können, wie wir uns das eigentlich vorgestellt haben. Wir hoffen, dass die Investitionen auch wirklich so umgesetzt werden, wie das jetzt vor Ort versprochen wird. Wir fragen uns aber auch hier, warum es überhaupt so weit kommen muss, dass die Stadt den Eltern, den Lehrern und den Schülern eingestehen muss, dass sich viele Schulprojekte um Jahre verzögern werden.

Wir freuen uns darüber, dass das Gartenamt endlich die notwendigen Mittel bekommt, um unsere Grünanlagen so zu pflegen, wie es sich gehört. Wir hoffen, dass das Geld jetzt ausreicht, um die bestehenden Grünanlagen in Schuss zu halten und gleichzeitig in neues Grün zu investieren. Wir fragen uns aber auch, warum ausgerechnet die Mittel für die Spielplätze gekürzt werden sollen. Wir jedenfalls wollen das so nicht stehen lassen und schlagen vor, deutlich mehr für die Spielplätze in unserer Stadt zu tun.

Herr Oberbürgermeister, ja, wir freuen uns darüber, dass Sie auf unsere Kritik reagiert haben. Wir möchten Sie aber auch ermutigen, ein bisschen mehr zu agieren, und wir bieten Ihnen dabei ausdrücklich unsere Unterstützung an. Unseren Wunsch nach mehr Aktion möchte ich anhand von drei Themen darstellen: Familien mit Kindern, Wohnen und Verkehr. Alle drei Themen haben miteinander zu tun. Das wird gleich beim ersten Thema deutlich.

Familien mit Kindern finanziell entlasten!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Oberbürgermeister, in Ihrem Konzept „Wohnen für Stuttgart“ schreiben Sie, dass die Mieten in der Stadt für Familien mit Kindern ein Armutsrisiko sind. In der Tat – Sie rechnen uns vor, dass ganz normale Familien, vielleicht Familien mit einem leicht unterdurchschnittlichen Einkommen, bei den Kosten, die das Leben in Stuttgart mit sich bringt, sehr schnell auf Hartz-IV-Niveau landen. Familien, in denen Tag für Tag hart gearbeitet wird – im Krankenhaus, bei der Polizei, bei der SSB. Familien mit Familiencard, Haushaltseinkommen bei 60.000 brutto im Jahr. Kein Wunder, dass immer mehr Familien unsere Stadt verlassen und ins Umland ziehen. In der letzten Zeitstufenliste Wohnen wird das mit erschreckenden Zahlen belegt.

Und in dieser Situation, in der sich Familien mit Kindern in Stuttgart befinden, ist die Kinderbeteiligung in den Stadtbezirken ein bisschen wenig, oder? Wir Sozialdemokraten wünschen uns mehr Handfestes:
Wir beantragen, die Spielplatzpauschale nicht zu kürzen, wie es jetzt von der Verwaltung vorgeschlagen wird, sondern deutlich zu erhöhen!
Wir wollen, dass endlich richtig in unsere Schulen investiert wird!

Und: ja, wir wollen, dass Familien mit Kindern finanziell entlastet werden und wollen mit den Familien anfangen, von denen ich gerade gesprochen habe – Familien mit Familiencard. Da geht es in einem ersten Schritt vielleicht um 5.000 Kindergarten-Kinder in Stuttgart. Wir als SPD sind der Meinung, dass wir für diese Familien etwas tun sollten, und zwar finanziell etwas tun sollten. Für sie soll das Leben in Stuttgart eben nicht ein Armutsrisiko sein. Wir wollen, dass diese Familien keine Kitagebühren mehr bezahlen. Das kann eine Entlastung von um die 2.000 Euro bringen, netto, pro Jahr, das bringt also richtig was. Langfristig wollen wir, dass der Besuch einer Stuttgarter Kita kostenfrei für alle ist, weil eine gute Bildung und Erziehung für Kinder nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf.

Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, dass die finanzielle Lage der Stadt so gut ist, dass wir uns das leisten können, ohne an anderer Stelle Qualität zu verlieren. Und mit dieser Meinung sind wir ja nicht allein. CDU und Grüne wollen die Grundsteuer senken, und das auch noch auf eine wenig intelligente Art und Weise. Wir Sozialdemokraten setzen da andere Prioritäten, denn von einer Grundsteuersenkung profitieren am stärksten die großen Industrieunternehmen Stuttgarts: Bosch, Daimler, Porsche würden zusammen wahrscheinlich mit um die 5 Mio. Euro entlastet. Am allerwenigsten haben Mieterinnen und Mieter etwas von der Grundsteuersenkung. Der erste Bürgermeister hat uns ja vor zwei Jahren vorgerechnet, dass sich die finanziellen Entlastungen hier im Centbereich bewegen – logisch, denn die größte Entlastung landet ja bei Daimler&Co.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und Grünen: bitte überlegt Euch das noch mal. Wir sind uns einig, dass Entlastungen angesagt sind. Aber bitte nicht Millionen für milliardenschwere Konzerne, lieber ein-, zwei- oder dreitausend Euro für Familien mit Kindern!

Wohnen in Stuttgart ist ein Armutsrisiko

Ich komme zurück auf das Armutsrisiko der hohen Mieten in Stuttgart. Das ist vor allem für die ein Problem, die ein durchschnittliches oder ein unterdurchschnittliches Einkommen haben, für Familien mit Kindern, die eine größere Wohnung brauchen, für Rentnerinnen mit einer kleinen Rente, für Studenten und Azubis.

Herr Oberbürgermeister, in der Wohnungspolitik ist die Bilanz Ihrer bisherigen Arbeit leider schlecht: im Schnitt 55 neue Sozialwohnungen pro Jahr, in den letzten vier Jahren – wenn es gut läuft, steigt dieser Wert auf 100 pro Jahr. Sie wollten aber 300, und davon sind wir meilenweit entfernt. Beim Neubau insgesamt haben wir im vergangenen Jahr einen Rückgang um fast 20% erlebt, wenn man ehrlich rechnet. Ich weiß nicht, ob es einen solchen Rückgang in irgendeiner anderen Großstadt in Deutschland gibt. Die Bestandsmieten in Stuttgart liegen bei 10 Euro pro qm. In Frankfurt und in Hamburg sind es nur 8 Euro. Für eine Familie mit Kindern macht das schnell mal einen Unterschied von 2.000 Euro im Jahr.

Und in dieser Situation verlegen Sie sich darauf, zu erklären, was alles nicht geht – siehe das Interview in der Stuttgarter Zeitung. Herr Oberbürgermeister, es tut mir leid, aber das ist uns Sozialdemokraten zu wenig. Die Bilanz der bisherigen Wohnungspolitik ist schlecht. Und da können wir nicht einfach „business-as-usual“ machen, wie es in ihrem Haushaltsentwurf vorgeschlagen wird.

Wir brauchen mehr Mietwohnungen, die sich normale Leute auch noch leisten können. Wohnungen, die mit Hilfe von Steuergeldern preiswert vermietet werden können. Wohnungen bei Genossenschaften und Wohnungen bei der SWSG. Wir Sozialdemokraten haben im Frühjahr einen Neustart der städtischen Wohnungspolitik gefordert und ein 5-Punkte-Programm vorgelegt, um mehr bezahlbare Mietwohnungen hinzubekommen. Ich möchte hier nur auf einen der Punkte eingehen, nämlich den einer aktiveren Grundstückspolitik und Wohnungspolitik der Stadt.

Wir sind der Auffassung, dass wir genügend bezahlbare Mietwohnungen nur dann anbieten können, wenn es mehr genossenschaftliche Mietwohnungen und mehr Mietwohnungen in kommunaler Hand gibt. Die Durchschnittsmieter bei den Genossenschaften und bei der SWSG liegen deutlich unter dem, was der freie Markt so bietet. Deshalb können sich viele Normalverdiener in Frankfurt oder in Hamburg eher eine Wohnung leisten als in Stuttgart. Wir wollen deshalb, dass der Wohnungsbestand der SWSG Schritt für Schritt von 18.000 auf 30.000 angehoben wird.

Es wird nicht leicht, dieses Ziel zu erreichen. Das ist doch völlig klar. Aber wir können dieses Ziel erreichen, denn andere Städte haben es uns vorgemacht. Das kostet Geld. Wir werden mehr unbebaute, aber auch mehr bebaute Grundstücke kaufen müssen, und wir müssen alle Instrumente nutzen, uns als Stadt in eine Kaufposition zu bringen. Wir schlagen vor, im Doppelhaushalt einhundert Mio. Euro für Grundstücksankäufe einzuplanen. Das Geld ist da. Wir brauchen keine 120 Mio. Euro Liquiditätsreserve.

Herr Oberbürgermeister, nach dem heutigen Interview: ich appelliere dringend an Sie: unterstützen Sie den gemeinsamen Antrag von Grünen, SÖS-Linke-Plus und meiner Fraktion!

Hohe Lebensqualität nur mit menschenfreundlicher Mobilität

Und: Ja, wir brauchen viele neue Wohnungen. So hat es im Übrigen der Ministerpräsident vor ziemlich genau zwei Jahren gesagt. Und er hat von seiner Partei in diesem Zusammenhang ein Umdenken eingefordert. Jetzt verstehe ich Sie so, dass Sie sehr wohl vorschlagen, auf der grünen Wiese neu zu bauen, aber halt nicht auf der Gemarkung der Stadt Stuttgart, sondern in der Region. Den regionalen Ansatz finde ich ja richtig, nur eins ist doch klar: je weiter draußen die grüne Wiese ist, desto mehr Verkehr entsteht, weil der Weg zur Arbeit weiter ist. Ist das Wohngebiet Schafhaus da nicht viel sinnvoller als ein Wohngebiet weit draußen in der Region? Wir als SPD sind der Auffassung, dass wir an den Rändern unserer Siedlungsflächen durchaus neue Wohnungen bauen sollten und zwar vor allem dort, wo wir ohne zu großen Aufwand auch neue Stadtbahnlinien bauen könnten.

Damit bin ich beim Thema Verkehr – und hier agieren Sie ja in jedem Fall mal mehr als beim Thema Wohnen. Wir unterstützen das 20%-Ziel, möchten Sie aber ermutigen, das Ziel mit einer ambitionierteren Politik auch zu erreichen. Wir bieten Ihnen vor allem beim Ausbau des Nahverkehrs ausdrücklich unsere Unterstützung an. Zwei Dinge sind uns dabei besonders wichtig: Preise und Infrastruktur!

Wir freuen uns, dass Sie bei den Preisen für das Bus- und Bahnfahren reagiert haben - in diesem Fall auf einen Vorschlag, der uns als SPD in den Gesprächen mit CDU und Grünen besonders wichtig war. Sie haben jetzt im Doppelhaushalt jährlich neun Mio. Euro eingestellt, um eine große Tarifreform im VVS auf den Weg zu bringen, mit einer Zone für ganz Stuttgart. Ein Vorschlag von uns Sozialdemokraten, damit das Fahren mit Bussen und Bahnen nicht nur an Feinstaubtagen, sondern das ganze Jahr über und vor allem für Abonnenten preiswerter wird. Wir haben die letzten Preiserhöhungen für den Nahverkehr abgelehnt, weil die Fahrgäste immer mehr zahlen müssen, während die öffentliche Hand in Vertretung aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler immer weniger zahlt. Das ist aus unserer Sicht ungerecht, und es ist auch nicht sinnvoll, weil wir ja mehr Menschen für das Bus- und Bahnfahren motivieren wollen und nicht weniger.

Zur Infrastruktur: wir wünschen uns noch mehr Ehrgeiz beim Ausbau der Stadtbahn in Stuttgart. Wir brauchen nicht nur zusätzliche Züge auf bestehenden Strecken, wir brauchen auch neue Strecken, und damit meine ich nicht die 300 Meter mehr vom Neckarstadion zum Mercedes-Benz-Museum. Damit meine ich eine neue Stadtbahn für den Westen Vaihingens, möglichst bis nach Büsnau. Damit meine ich eine Verlängerung der Stadtbahn bis zur S-Bahn in Weilimdorf. Damit meine ich auch die Reaktivierung alter Straßenbahnlinien zum Beispiel von Stuttgart-Mitte bis nach Stuttgart-Gablenberg. Ich weiß nicht, wer den Vortrag der Verkehrsplanerin von Zürich kennt, den diese in der Architektenkammer gezeigt hat. Es hilft, wenn wir uns in der Verkehrspolitik darauf verständigen, auf welches Verkehrsmittel wir vor allem und mit allerhöchster Priorität setzen wollen. Die Züricher Kollegin hat von einer Königin gesprochen. Diese Königin sollte in Stuttgart die Stadtbahn sein, lassen Sie uns hier mutiger sein als bisher.

Heimat schaffen - hier in Stuttgart!

Der Bundespräsident spricht von neuen Mauern, die in den letzten Jahren in Deutschland entstanden sind, z.B. Mauern aus Entfremdung, Enttäuschung und Wut – mit Misstrauen gegenüber der Demokratie und ihren Repräsentanten. Ich denke, wir alle kennen diese neuen Mauern gerade auch hier in Stuttgart. Manche Diskussion zu Stuttgart 21 hat diese Mauern sehr, sehr deutlich gemacht.

Eine Erklärung für diese Entwicklung liefert der Bundespräsident, wenn er am Ende seiner Rede über Heimat spricht. Heimat heißt für ihn zu verstehen und verstanden zu werden und er stellt fest, dass sich viele Menschen in Deutschland und wohl auch in Stuttgart nicht mehr verstanden fühlen und auch nicht verstehen, was wir Ihnen zum Beispiel in der Kommunalpolitik ab und an zumuten. Das lässt sich doch auch bei der einen oder anderen Einwohnerversammlung beobachten.

Dass uns allen Heimat wichtig ist, wissen wir. Die Stuttgarter Zeitung hatte erst vor wenigen Tagen eine ganze Ausgabe dazu veröffentlicht. Ich selber weiß von mir ganz persönlich, wie wichtig es mir ist, mir Heimat hier in Stuttgart richtig erarbeitet zu haben. Frank-Walter Steinmeier definiert Heimat auch als Ort, an dem das „Wir“ Bedeutung bekommt - als Ort, der verbindet, über die Mauern unserer Lebenswelten hinweg.

Ich finde, dass das ein ganz gutes Motto für die Haushaltsberatungen sein kann. Lassen Sie uns mit der Art, wie wir miteinander streiten – lassen Sie uns mit dem, was wir gemeinsam beschließen, Heimat schaffen - hier in Stuttgart!

 

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